Anhalten


Anhalten

Wenn alles um mich herum lärmt, tobt und schreit,

wenn trotz aller Eile die Zeit nicht reicht,

wenn jeder an mir zerrt und zieht,

wenn niemand meine Ängste sieht,

wenn meine Gedanken fahren Achterbahn,

dann halte ich mich selbst mal an.

 

Wenn alles auseinanderbricht,

wenn man mir böse Worte schleudert ins Gesicht,

wenn Zungen wollen meine Seele brechen,

wenn man mich mit Blicken will erstechen,

wenn ich gerade mehr nicht geben kann,

dann halte ich mich selbst mal an.

 

Wenn sich in meinem Kopf die Welt grad dreht,

wenn ich nicht weiß, wie es weiter geht,

wenn meine Farben Trauer tragen,

wenn mich die Sorgen durch die Nächte jagen,

wenn ich verliere meinen Lebensplan,

dann halte ich mich selbst mal an.

 

Wenn ich das Alleinsein nicht ertrag,

wenn ich die Langeweile mit Aktionismus erschlag,

wenn ich nicht lieben kann, was ist,

wenn scheinbar niemand mich vermisst,

wenn ich einfach nicht loslassen kann,

dann halte ich mich selbst mal an.

 

Wenn ich auf alles keine Antwort weiß,

wenn mein Leben gleicht nur einem Trostpreis,

wenn ich wieder mal meinen Weg verlier',

wenn ich mich vor anderen so richtig blamier,

wenn ich anderen hab` Unrecht angetan,

dann halte ich mich selbst mal an.

 

Wenn das Leben nur noch aus Kampf besteht,

wenn man mir meine Worte im Mund herumdreht,

wenn ich hilflos, sprachlos und traurig bin,

wenn ich in nichts erkenne einen tieferen Sinn,

wenn ich weder vergeben will noch kann,

dann halte ich mich selbst mal an.

 

Wenn das Recht die Gerechtigkeit nicht kennt,

wenn sich mein Ganzes in zwei Hälften trennt,

wenn ein Krieg mich zwingt zur Flucht,

wenn sich meine Sehnsucht versteckt in der Sucht,

wenn der Hass meine Liebe ertränkt im Ozean,

dann halte ich mich selbst mal an.

 

Wenn ich das Leben nicht versteh`,

wenn ich den Wald vor lauter Bäumen nicht seh',

wenn meine innere Leere das Füllhorn ist,

wenn mich mein Selbstzweifel restlos zerfrisst,

wenn ich schon lange nicht mehr lachen kann,

dann halte ich mich selbst mal an.


Wenn meine Leichtigkeit der Schwere weicht,

wenn das Verständnis für mich nicht mehr reicht,

wenn mein Herz mal wieder in Trümmern liegt,

wenn es nur noch darum geht, wer verliert und wer siegt,

wenn ich herausfliege aus dem Lebensroman,

dann halte ich mich selbst mal an.

 

Wenn so manche Worte mich tief verletzen,

wenn man mich will zu Tode hetzen,

wenn ich wieder und wieder reiche meine Hand,

wenn ich mich in mir selbst habe verrannt,

wenn in mir aufgrund dessen nun wütet ein Orkan,

dann halte ich mich selbst mal an.

 

Ich halte an und bleibe stehen,

nur in der Ruhe kann ich`s sehen,

wo ich mir selbst im Wege steh'

und wie sehr ich mich im Kreise dreh'.

Ich werde still und steige aus.

Ich sortiere neu und schmeiße raus.

Ich fange ein neues Kapitel in meinem Leben an.

Es ist gut, dass ich mich selbst mal anhalten kann.

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